Ableitung des Zeitgesetzes für die Reduktion von Iodat-Ionen durch Iodid-Ionen (Landolt Reaktion)

von Denise Heckmann

Thema: Reaktionsgeschwindigkeit Tags: Reaktionsgeschwindigkeit, Geschwindigkeitsgesetz, Landolt Klassenstufen: 11-12 Versuchsart: LV

Ziel des Versuchs: In diesem Versuch soll das Geschwindigkeitsgesetz anhand der Landoltreaktion hergeleitet werden.

Materialien

5 Messkolben (V= 1000 mL), 8 Bechergläser (V= 250 mL), 8 Bechergläser (V= 400 mL), Vollpipette (V=10 mL), Vollpipette (V=20 mL), Messzylinder (V=1000 mL), Stoppuhr, Thermometer

Chemikalien

Essigsäure (w=98%), Kaliumiodat, Kaliumiodid, Natriumacetat, Natriumsulfit (oder Natriumhydrogensulfit), Stärke (löslich), Eis

Gefahrstoff H-Sätze P-Sätze GHS
Essigsäure 99-100% H226-H314--
Kaliumiodat H272-H315-H319-H335P220-P261-P305+P351+P338
Kaliumiodid H302-H315-H319P305+P351+P338
Natriumacetat-3-H2O ----
Natriumsulfit wasserfrei ----
Stärke löslich ----

Durchführung

Die in Tabelle 1 aufgeführten Stoffe werden abgewogen und in einen Messzylinder gegeben. Anschließend werden diese mit destilliertem Wasser auf je einen Liter aufgefüllt (abgesehen von Lösung 6, welche nur mit 99 mL aufgefüllt wird!) Ein Liter entspricht jeweils dem Ansatz für die Durchführung des Experiments mit der gesamten Klasse. Wird der Versuch als Demonstrationsexperiment eingesetzt, kann der Ansatz entsprechend reduziert werden.

Tabelle 1: Einwaagen der für die Reaktion benötigten Stoffe für 1 L Lösungsvolumen

Lösung   Stoff   Masse bzw. Volumen   Massenkonzentration bzw. Volumenanteil  
1 Kaliumiodat mKIO3 = 10,7 g βKIO3 = 10,7 g/L
2 Essigsäure VCH3COOH = 28,3 mL ψCH3COOH = 2,8 %
3 Natriumacetat mCH3COONa = 40,0 g βCH3COONa = 40 g/L
4 Kaliumiodid mKI = 83 g βKI = 83 g/L
5 Natriumsulfit mNa2SO3 = 1,04 g βKI = 1 g/L
6 Stärke m(C6H10O5)x = 1,0 g B(C6H10O5)x = 0,1 g/L

Zum Ansetzen von Lösung 6 muss die Stärke in Wasser gelöst und kurz bis zum Sieden erhitzt werden. Vor Verwendung sollte sie dann jedoch abkühlen. Aus den oben beschriebenen Lösungen werden nun acht mal zwei Gemische hergestellt, die jeweils unterschiedlich zusammengesetzt werden sollen. Die jeweilige Zusammensetzung kann Tabelle 2 entnommen werden.

Tabelle 2: Mischungsverhältnisse für die einzelnen Reaktionsansätze


Reaktion
Zusammensetzung von Gemisch 1 in mL
Zusammensetzung von Gemisch 2 in mL
Lösung 1
Lösung 2
Lösung 3
destilliertes Wasser
Lösung 4
Lösung 5
Lösung 6
destilliertes Wasser
1 10 20 10 60 20 10 1 69
2 10 20 10 60 20 10 1 60
3 10 20 10 60 20 20 1 59
4 20 20 10 50 20 10 1 69
5 10 20 10 60 40 10 1 49
6 10 40 10 40 20 10 1 69
7 10 20 10 60 20 10 1 69
8 10 20 10 60 20 10 1 69

Die 250 mL und 400 mL Bechergläser werden durchnummeriert und Gemisch 1 wird jeweils im 250 mL der entsprechenden Nummer zusammengegeben, während Gemisch 2 im 400 mL Becherglas der entsprechenden Nummer zusammengemischt wird. Dieser Arbeitsschritt ist sehr zeitintensiv und sollte aufgeteilt werden, falls man keine Doppelstunde für den Versuch zur Verfügung hat. Es bietet sich an, jeweils einer Gruppe eine der Reaktionen zuzuordnen,sodass man hinterher für jede Reaktion einen Wert bekommt. Hat man genug Zeit, so sollte man den Mittelwert aus allen Messungen bilden, um klar zu machen, dass jede Messung mit Fehlern behaftet ist und mehrere Messungen den Fehler minimieren. (Außerdem könnte so diskutiert werden, welche Fehler bei allen Gruppen gleichermaßen auftreten und welche Fehler Gruppenspezifisch sind.)

Die Gemische für Reaktion 7 sollen auf 30 °C erwärmt werden. Die Gemische für Reaktion 8 sollen auf 10 °C herunter gekühlt werden.

Nun gibt man für jede Reaktion Gemisch 1 zu Gemisch 2 und stoppt die Zeit bis sich die Lösung verfärbt. Um die Verfärbung deutlicher zu machen, kann man (gerade wenn dieser Versuch als Lehrerversuch genutzt werden sollte) die Bechergläser auf den Overheadprojektor stellen. Eine andere Möglichkeit wäre, ein weißes Blatt mit einem Kreuz unter das Becherglas zu stellen und die Zeit zu stoppen, bis man das Kreuz nicht mehr sehen kann.

Beobachtung

Die Lösungen färben sich zu unterschiedlichen Zeiten blau.

Tabelle 3: Zeit bis zum Farbumschlag der einzelnen Lösungen

Reaktion Reaktionszeit [s]
1 15
2 15
3 34
4 6,6
5 4
6 3
7 9
8 25

Abb. 1: Lösungen vor dem Zusammengeben
Abb. 2: gemessene Zeit bis zum Eintritt der Verfärbung

Deutung

Bei dem Versuch wird Iod gebildet. Dieses bildet mit der Stärke eine blaue Verbindung. Diese Reaktion verläuft in mehreren Schritten:

1)   3 SO32-(aq) + IO3-(aq) → I-(aq) + 3 SO42-(aq)  (langsam)

2)  IO3-(aq) + 5 I-(aq) + 6 H3O+(aq) → 3 I2 (aq) + 9 H2O(l)   (schnell)

3)  I2 (aq) + SO32-(aq) + 3 H2O(l) → 2 I-(aq) + 2 H3O+(aq) + SO42-(aq) (sehr schnell)

Der langsam ablaufende, erste Schritt ist geschwindigkeitsbestimmend.

Tabele 4: Konzentrationen der an der Reaktion teilnehmenden Stoffe in den einzelnen Lösungen

Reaktion c(IO3-) [mmol/L]
c(CH3COO-) [mmol/L]
c(I-) [mmol/L]
c(SO3 [mmol/L]
T [°C]
1 2,5 50 50 0,5 20
2 2,5 50 50 0,5 20
3 2,5 50 50 1
20
4 5 50 50 0,5 20
5 2,5 50 100 0,5
20
6 2,5 100 50
0,5 20
7 2,5 50 50 0,5 30
8 2,5 50 50 0,5 10

Reaktionen 1 und 2 zeigen, dass unter gleichen Bedingungen auch die Reaktionszeit konstant bleibt. Reaktion 3 zeigt, dass sich mit Verdopplung der Sulfit-Ionen die Reaktionszeit ebenfalls verdoppelt. Dies ist damit zu begründen, dass Sulfit-Ionen mit molekularem Iod zu Iodid zurück reagieren, wodurch der Farbumschlag solange nicht zustande kommt, wie noch Sulfit-Ionen in der Lösung vorhanden sind. Reaktion 4 zeigt, dass bei Verdopplung der Konzentration der Iodat-Ionen die Reaktionszeit halbiert. Iodat-Ionen sind Edukt im geschwindigkeitsbestimmenden Schritt der Reaktion. Die Reaktionsgeschwindigkeit ist also proportional zur Konzentration der Iodat-Ionen. Reaktion 5 zeigt, dass bei Verdopplung der Iodid-Ionen-Konzentration die Reaktionszeit auf ein Viertel der normalen Reaktionszeit absinkt. Die Reaktionsgeschwindigkeit ist also proportional zum Quadrat der Iodid-Ionen. Reaktion 6 zeigt, dass bei der Verdopplung der Acetat-Ionen die Reaktionsgeschwindigkeit ebenfalls auf ein Viertel der normalen Reaktionszeit sinkt. Ergo ist die Reaktionsgeschwindigkeit ebenfalls proportional zum Quadrat der Acetat-Ionen. Reaktion 7 zeigt, dass bei einer Erhöhung der Temperatur um 10 ° C die Reaktionsgeschwindigkeit sich fast verdoppelt (RGT-Regel). In Reaktion 8 wird gezeigt, dass sich die Reaktionsgeschwindigkeit ungefähr halbiert, wenn man die Lösung um 10° C abkühlt.

Damit ergeben sich die folgenden Zusammenhänge:

V   =  
- dc 
 dt

- dc 
 dt
 ∝   c(IO3-)   sowie   
- dc 
 dt
 ∝   c2(I-)   sowie   
- dc 
 dt
  ∝   c2(H3O+)

⇒ V   =  
- dc 
 dt
  =   k · c(IO3-) · c2(I-) · c2(H3O+)

Didaktische Reduktion: Bei diesem Versuch kann davon ausgegangen werden, dass sich die Reaktionsgeschwindigkeit während der Reaktion nicht ändert, auch wenn die Konzentration der die Geschwindigkeit ausmachenden Stoffe sich während des Versuchs verändert. Dies ist zum einen damit zu begründen, dass die Konzentration der Sulfit-Ionen im Vergleich zur Konzentration der anderen reagierenden Ionen so gering ist, dass sich bei ihrem vollständigen Verbrauch die Konzentration der anderen Ionen kaum ändert. Zum anderen stellt die puffernde Wirkung des Natriumacetats sicher, dass die Hydronium-Ionen-Konzentration konstant bleibt.

Anmerkungen & Unterrichtsanschlüsse:

Dieser Versuch eignet sich eher für den Abschluss der Einheit zur Kinetik, da er sehr viel voraussetzt. Es ist sehr wahrscheinlich, dass einige SuS bei der Menge an Reaktionen den Überblick über das eigentliche Ziel (nämlich das Aufstellen des Geschwindigkeitsgesetzes) verlieren. Sie müssen deshalb mehrfach hieran erinnert werden. Die Auswertung sollte im Plenum oder in Gruppen stattfinden, damit sich die SuS gegenseitig helfen können.

Der Versuch ist gut dafür geeignet, mehrere einzeln erarbeitete Themen, wie die Temperaturabhängigkeit und die Konzentrationsabhängigkeit der Reaktionsgeschwindigkeit und das hiermit verbundene Geschwindigkeitsgesetz, in einen Zusammenhang zu bringen. Dies könnte helfen, die Geschwindigkeitsgesetze den SuS verständlicher zu machen.

Literatur

H. Böhlan, et al., Chemische Schulexperimente Band 3: Allgemeine, physikalische und analytische Chemie- Chemie und Umwelt, Volk und Wissen Verlag, 1. Auflage, 2002, S. 99-101.


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